15.8.2021 Sommerpilgerwanderung unter dem Thema "Das Jahr ohne Sommer" zum Glacière de Monlési zwischen La Brévine und dem Val de Travers

Start zur Sommerpilgerwanderung ist La Brévine, der Kältepol der Schweiz, oder das Sibirien der Schweiz: La Brévine ist der Ort mit der tiefsten je in einer Siedlung gemessenen Temperatur: Am 12. Januar 1987 wurden hier -41.8 Grad Celsius gemessen. Auf der Vorderseite des Gemeindehauses wechselt eine Anzeige ständig zwischen Grono (im Misox, GR) und La Brévine hin und her: In Grono wurden im Hitzesommer 2002 41.5 Grad gemessen, die höchste je in der Schweiz gemessene Temperatur. Es liegen also über 80 Grad Temperaturunterschied zwischen gemessenem Maximum und Minimum! Heute sind wir bei ca 26 Grad unterwegs. Da es schwül ist reicht das, um gehörig ins Schwitzen zu kommen, als wir nach dem Lac des Taillères einen kurzen steilen Aufstieg meistern mussten. Wir sind unterwegs mit dem Thema "Das Jahr ohne Sommer". Es passt zum Juli 2021, der überdurchschnittlich nass war und überdurchschnittlich wenig Sonnenscheindauer hatte. Weltweit gesehen war der Juli der wärmste Monat seit Messbeginn um 1880. Ich habe die Bilder von den Waldbränden in Südeuropa und die Rekordtemperaturen in den USA und Kanada vor mir. Vom Gefühl der Schweiz aus gesehen, war der Juli jedoch kein Sommermonat. Die Redewendung "Das Jahr ohne Sommer" meint jedoch das Jahr 1816. 1815 ist in Indonesien der Vulkan Tambora buchstäblich explodiert. 150 Kubikkilometer Asche wurden in die Athmosphäre gepustet mit der Folge, dass die Sonneneinstrahlung geringer geworden ist. Aschepartikel haben einige Strahlen absorbiert. Es wurde kalt im Jahr 2016. Schnee auch im Juli bis in die Niederungen. Es war nass. Es gab Missernten, wenig Ertrag. Eine Hungersnot breitete sich aus. In Appenzell Innerrhoden verhungerten 10% der Bevölkerung. Eine Zeichnung aus dem Toggenburg zeigt Menschen, die auf einer Weide zusammen mit den Kühen Gras essen. Im Zürcher Oberland und im Glarnerland gab es auch weniger Ertrag, weil erst grad erste Textilmaschinen installiert worden sind. Bauern haben sich von der Arbeit her so neu eingerichtet. 1845 gab es wegen Kartoffelfäulnis eine weitere Nahrungsmittelknappheit und erhöhte Arbeitslosigkeit, weil billiger Stoff aus dem Ausland die einheimische Textilproduktion herausforderte. Die Glarner Regierung sprach Einmahlzahlungen, wer bereit war, in die USA auszuwandern. Das war für den Kanton billiger, als über Jahre Fürsorgegelder an verarmte Persoen zu zahlen. In Wisconsin wurde so das Dorf New Glarus gegründet. Und heute im Jahr 2021? Starkniederschläge und Trockenheit ziehen sich um die Erde. Wo wird es neue Hungersnöte geben? Wo wird der Boden verwüsten? Wo werden sich Menschen aufmachen, um eine neue Existenz zu finden? Wir steigen als Pilgergruppe zum Glacière de Monlési ab. Es geht 20 Höhenmeter einen grossen Schacht hinunter. Unten ist eine Karsthöhle. Die kalte Luft des Winters kann hier nicht weg. Was im Winter als Wasser, das durch den Karst sickert dort gefriert und was als Schnee durch den Schacht herunterfällt, wird nach und nach zu Firn und Eis. Ca 6'000 km3 Eis liegen dort verborgen. Sollten die Winter Niederschlags arm werden, kann es sich nicht mehr genügen erneuern. Es würde dann zurückgehen. Die Temperatur in der Eishöhle liegt bei 1-2 Grad. Eindrücklich ist der Aufstieg durch den Trichterdes Schachtes zurück auf das Niveau des gewachsenen Terrains: Meter für Meter wird es wärmer, bis wir oben wieder in der schwülen Hitze des Tages stehen. Wie wird das hier im Jahr 2050 aussehen, dem Jahr bis dann die Schweiz aus der Verbrennung von fossilen Treibstoffen aussteigen will?